Wie kann man in einer Beziehung Nähe und Distanz so gestalten, dass es für beide passt? Wie kann man das Verhältnis zum eigenen Raum und dem gemeinsamen Raum achtsam gestalten?

Es ist dies eine grosse Herausforderung in Beziehungen. Einerseits wollt und sollt ihr euch als Individuum authentisch verwirklichen – andererseits wollt und sollt ihr euch auch liebevoll in die Gemeinschaft oder Partnerschaft einbinden. Dies ist jedoch nur scheinbar ein Widerspruch. Denn je besser es euch gelingt, authentisch zu leben, desto grösser wird eure Bereitschaft, das Gegenüber, um dessen eigener Authentizität willen, zu lieben.

Wer sich einsam fühlt und eine Partnerschaft braucht, um sich zu spüren, oder wer aus Angst vor Vereinnahmung die Beziehung nicht verbindlich leben kann, wird Mühe haben, diesen Spagat von Nähe und Distanz ins Gleichgewicht zu bringen.

Beziehungen, welcher Art auch immer, sind ein wechselseitiges Geben und Nehmen, ein abwechselndes Fokussieren auf die eigenen und die Bedürfnisse anderer. In Beziehung sein könnten wir auch nennen: Die Bereitschaft, Kompromisse und Zugeständnisse einzugehen, in Respekt vor der eigenen Authentizität und derjenigen des Gegenübers. Diese Hingabe – nicht Aufgabe seiner selbst – lässt beide Seiten wachsen, führt in ein tiefes Verständnis und mündet in das, was wir Liebe nennen.

Wer eine Partnerschaft braucht, um sich sicher und wohlzufühlen, um sich gar nur dadurch selbst zu spüren, kann sich dieser Herausforderung nicht stellen, sondern passt sich an, koste es was immer.

Wer sich ängstigt, die persönliche Freiheit zu verlieren, hält sich von Partnerschaften fern oder geht diese nur kurzfristig und/oder unverbindlich ein. Das Gleichgewicht kann in beiden Varianten nicht hergestellt werden, denn hier handelt es sich um Bedürftigkeit oder einen Bestätigungswunsch, die beide in ihrer Macht-/Ohnmachtsposition verharren und sich nicht zu einem lebendigen WIR verbinden.

Es ist wichtig, über diese Dynamik in der Beziehung zu sprechen. Warum ist die Nähe oder Distanz gerade jetzt wichtig? Welche Bedürfnisse stehen dahinter? Wie stark sind sie im Moment? Welche Gefühle werden ausgelöst, wenn sie nicht erfüllt werden können (auf beiden Seiten)? Dadurch eröffnet sich der Raum der Kompromisse oder Übereinkünfte, damit das ICH sowie das DU im WIR existieren können.

Diese Herausforderung kann jedoch nur gemeistert werden, wenn beide Seiten sich ehrlich-verletzlich zeigen. Es soll kein Kampf werden, ob Nähe- oder Distanzbedürfnis wichtiger ist, sondern getragen werden vom Bedürfnis beider, zu verstehen und dadurch aufeinander zuzugehen. Jeden Tag.

Der Prozess beginnt mit der Frage, die uns gestellt wurde, der Offenheit, anzuerkennen, dass die Bedürfnisse sich nicht decken und der Bereitschaft, einen Weg zueinander zu finden. Diesen Wunsch braucht es von beiden Seiten, um aus dem emotionalen Macht-/Ohnmachtskampf in ein Gleichgewicht zu kommen. Denn auch Kompromisse müssen untereinander letztlich ausgeglichen sein.

Wer immer nachgibt, schwächt sich selbst. Wer nie nachgibt, schwächt das Gegenüber. Beides findet in der Liebe keinen Raum.

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Kommentar von Franca |

sehr schön, lieben Dank :)

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