Wichtigste Frage 2021: Wie kann man sich als Mensch vorbereiten auf den Tod? Was kann uns helfen, um uns etwas die Angst vor dem Sterben zu nehmen?

Die Verbindung zwischen Geburt und Tod und Wiedergeburt ist ein Kreislauf. Dieser hat keinen Anfang und kein Ende. Er ist Entwicklung. Wenn ein Menschenkind in die Welt eintritt, so ist dies kein Anfang, sondern ein Übertritt von der geistigen zur materiellen Welt. Wenn ein Mensch heimkehrt, ist dies kein Ende, sondern eine Heimkehr von der materiellen in eine geistige Ebene und hinein in einen neuen Kreislauf. Von Geburt an lebt und sterbt ihr gleichermassen.

Als Baby seid ihr mehrheitlich in unserer geistigen – und hie und da in eurer materiellen – Welt. Bis ins Kleinkindalter hinein hält diese Verbindung zu uns und der Seelenebene. Sie zeigt sich in der Phantasie, im innigen Vertrauen, aber auch in den Ängsten. Denn in dieser Phase seid ihr in beiden Welten unterwegs. In Verbindung mit der Seele einerseits und mit den Eltern, der Familie, andererseits. In diesem Beziehungsfeld beginnt das Kind sich zu verwurzeln und als Kleinkind zu definieren als „Ich“. Im ganzen Prozess geht es um Vertrauen, Liebe, Verbundenheit und darum, ein Teil des Ganzen zu sein.

Im Schulalter und bis zur Pubertät wird der Prozess umgekehrt und folgt der anderen Polarität. Das Kind nimmt wahr, dass die erweiterte Welt nicht immer denselben Regeln folgt, die es kennt. Verbundenheit und Vertrauen basieren nun nicht mehr darauf, einfach hier zu „sein“, sondern werden mit der Persönlichkeit verbunden – oder müssen als „ich bin“ erkämpft werden. In der Pubertät spitzt sich dieser Prozess zu. Die familiären und Regeln des Umfelds werden hinterfragt, gespiegelt und vermehrt abgewiesen. In diesem Prozess bildet sich die individuelle Persönlichkeit. Denn trotz Verbundenheit ist es das individuelle „Ich“, das den Lebensweg modelliert und formen soll.

Das junge Erwachsenenalter ist ganz dem Prozess des Aufbaus des individuellen Lebensplans gewidmet. Karriere, Selbstfindung, die Gründung einer Familie, die Welt aktiv mitgestalten. Es ist dies der schöpferischste Teil eures Lebens, der meist auch extrovertiert nach aussen gerichtet wird. Weil es in dieser Phase ganz um das Leben mittels Gestaltung geht, ist der Tod im besten Fall kein Thema für euch. Das ist gut so, denn wer im Blühen ans Vergehen denkt, kann nicht voller Kraft aufblühen.

Ab dem mittleren Alter, also ungefähr (!) zwischen 50 und 60 Jahren, begibt sich die Energie wieder in die andere Polarität. Langsam und achtsam darf nun ein Rückzug ins Innenleben beginnen. Dieser Prozess ist sozusagen eine Rückkehr in die Energie der Pubertät – aber auf höherem Niveau. Nun geht es nicht um Aufbruch in die äussere Welt, sondern vielmehr um einen Aufbruch in die innere. Karriere, Beruf und Familie oder Freundeskreise werden neu betrachtet. Die Berufung – der Inhalt des Tuns – sowie tief verbindende Beziehungen werden immer wichtiger. Diese Werte zu leben, bedeutet jedoch gleichzeitig einen Verlust an Bestätigung von der gesellschaftlichen Aussenwelt. Hier genau liegt die Herausforderung. Die Rückkehr vom Ich zum Sein ist nicht laut und ausbreitend, sondern vielmehr leise und vertiefend. Vieles wird „weniger“, dafür intensiver.

In der westlichen Welt kennt ihr viele Methoden, genau diesen Prozess zu umgehen. Von Schönheits-Operationen bis zu verbissenem Festhalten an der Energie eines 30-jährigen tun viele von euch alles, um diese Vorbereitung auf den letzten Lebensabschnitt als Krise zu bekämpfen. Das Sterben begegnet euch immer wieder mit körperlichen und energetischen Hinweisen darauf, dass sich „Schwäche“ im weitesten Sinne zeigt. Meist ganz nebenbei und durch sanfte Hinweise. Denn so, wie ein Baby bis zur Pubertät 20 Jahre brauchte, so werdet ihr auch im mittleren Alter so lange Zeit haben, um den Weg zurück zu gehen ins höhere Alter und eure Heimkehr.

Wollt ihr also jung bleiben und die Veränderung eurer Energie und eurer Lebenshaltung nicht wahrnehmen, so wird der Heimkehrprozess ein Bruch sein in eurem Empfinden. Scheinbar plötzlich seid ihr krank, alt, gebrechlich im Körper – und im Geiste immer noch gebunden an die Projektion, mitten im Aufbau eures Lebens zu stehen. Wir verurteilen euch nicht, für euren Wunsch, jung, schön und aktiv in der äusseren Welt bleiben zu wollen. Trotzdem wählt ihr damit eine sehr harte Form des Prozesses, sofern sich diese an die gesellschaftlichen Ideale hält. Ganz anders fühlt es sich an, wenn ihr euch vorbereitet, indem ihr das Altern als natürlichen Prozess seht und lebt. Das Altern ist die Vorbereitung für das Sterben, und hilfreiche Unterstützung im Loslassen der aufbauenden Lebensphase.

Im harmonischen Fall anerkennt ihr eure Energien und innersten Wünsche. Ihr begebt euch auf den Weg, nicht mehr nur durch Bestätigung von aussen, sondern durch Sinnhaftigkeit von innen zu leben. Ihr nehmt wahr, dass euer Körper sich verändert, wie euer Innenleben dies ebenso tut. Ihr löst euch Jahr um Jahr vom Stress des „Ichs“ und kommt ins „Sein“ der Kindheit zurück – auf einem höheren Level. Ihr engagiert euch aus dem Herzen heraus. Ihr strebt an, um euer selbst Willen zu geben, wann und wo ihr dies wollt. Eure Motivation verändert sich. Ziel ist nicht mehr, den Platz in der aktiven Gesellschaftsform zu festigen. Vielmehr lasst ihr zu, dass euer Platz in Bewegung gerät – sich dadurch aber immer mehr eurem wahren Selbst nähert.

Wenn ihr dann im hohen Alter wieder – auf einer höheren Ebene – wie ein Baby ins Vertrauen, die Verbundenheit, Liebe und Ganzheit zurückkehrt, seid ihr euch selbst, versöhnt, entspannt und kehrt zurück. Um in einen neuen Kreis einzutreten.

Die Vorbereitung auf das Sterben besteht also darin, bereit zu sein, das Leben und die Lebensenergie in allen Phasen so wahrzunehmen, wie sie tatsächlich sind. Ehrlich und authentisch. Je intensiver ihr also lebt in Wahrhaftigkeit eurer jeweiligen Altersprozesse, desto harmonischer gestalten sich der Übergang und die Reise zurück. Ihr habt euch vorbereitet. Nicht gedanklich-theoretisch, sondern durch euren Weg vom Sein zum Ich und vom Ich zurück zum höheren Sein. Mit Körper, Emotion und Geist. In Würde und Annahme des Kreislaufs. Nichts geht zu Ende. Es wandelt sich nur in einen neuen Anfang.

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Kommentar von celine |

Soo treffend berühren und wunderschöne Worte dafür🙏🏼💖 Vielen lieben Dank!

Kommentar von gabriela-maria |

Es ist wie es ist. So schön übermittelt....danke Astrid.

Kommentar von Gertrud |

Eindrücklich, ich nehme beim lesen unsere Lebensabschnitte war. Und doch finde ich wichtig, das wir immer wieder lernen den Moment zu leben, um uns nicht zu viel Sorgen zu machen über Morgen. Damit wir unseren Ängsten nicht zuviel Raum geben. Alle Tage dankbar sein über etwas oder soviel Schönes und uns erfreuen an dem was wir haben. Gertrud

Kommentar von Astrid |

Du sprichst mir aus der Seele, liebe Astrid. Von Herzen, deine Namensschwester

Kommentar von Claudia Habenreich |

Liebe Astrid,
während ich lese tauchen vor meinem inneren Auge Momente aus meinem Leben auf. Ich sehe aber auch Momente die ich mit meinem Enkel verbracht habe der gerade 4 Jahre geworden ist. Es ist fast so als würden wir uns irgendwie treffen :-)

Es tat gut diese Worte Echnatiels zu lesen ... ich danke dir Astrid

Alles Liebe
Claudia

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