Viele Menschen sind immer in der Position des Zuhörens, Verstehens und Unterstützens. Sie erfassen die Schwachstellen ihres Gegenübers schnell. Das sich-Selbst-Anlehnen und Nähe zuzulassen wird dann schwierig. Hast du einen Rat dazu?
Anderen Menschen zuzuhören, intuitiv zu erkennen, was sie brauchen und sie zu unterstützen ist eine schöne Gabe. Sie sollte euch oder eure Beziehungen jedoch nicht definieren. Beziehungen entfalten sich auf vielen Ebenen, Stärken und Schwächen ebenso. Wer sich auf die Position des Helfenden fixiert, sieht oftmals im anderen Menschen nur Schwäche und fühlt sich dadurch stärker. Das ist für keine Seite förderlich.
Es ist richtig, dass Beziehungen einigermassen ausgeglichen sein müssen im Geben und Nehmen, damit sich beide Seiten bereichert fühlen. Dies muss jedoch nicht unbedingt in demselben Thema oder Lebensbereich stattfinden und schon gar nicht zeitgleich oder abwechselnd. So kann es sein, dass ihr einen Freund monatelang unterstützt, bis er wieder in seiner Kraft ist und Geben kann. Vielleicht habt ihr auch eine Freundin, die in einem Lebensbereich dauernd Verständnis braucht – aber mit niemandem könnt ihr so gut lachen, wie mit ihr. Auch das ist Lebens- und Beziehungsqualität, ein Geschenk.
Seid euch bewusst, dass kein Mensch einem anderen alles geben kann. Doch jeder Mensch kann euch inspirieren und von jedem Menschen könnt ihr etwas lernen – auch von denjenigen, die ihr unterstützt. In der Frage oben steckt gleichzeitig die Lösung. Der Mensch, dem ihr helft, macht euch vor, wie ihr euch anlehnen und Nähe zulassen könnt. Indem ihr die momentane Unsicherheit und Verletzlichkeit zeigt.
In Beziehungen ist der allerwichtigste Faktor der, dass ihr authentisch seid und eure Zweifel, Ängste und Verletzlichkeit kommuniziert und zeigt. Nähe entsteht durch Öffnung, dadurch, dass der andere Mensch euch in euren Stärken und Schwächen erkennen kann.
Habt also den Mut, einfach euch selbst zu sein. Unterstützt und seid stark, lasst aber auch zu, euch zu zeigen, dort, wo ihr verletzlich seid. Nehmt jede Gelegenheit beim Helfen wahr, in den Spiegel zu schauen. Diese von euch geschenkte Nähe und Unterstützung erlaubt es euch, ganz tief ins Universum des anderen zu tauchen. Warum solltet ihr ihnen das umgekehrt verwehren? Warum solltet ihr euch selbst dies nicht erlauben?
Übt euch im Vertrauen darin, dass der Mensch sich nicht nur über Stärken und Gaben definiert. Die Ärztin darf erkranken, der Psychiater darf persönliche Probleme haben und du, als Unterstützende oder Helfer darfst ebenso unvollkommen sein. Die Lebensfreude basiert nicht auf Perfektion, sondern auf mutiger Offenheit.
Sogar wenn Unterstützung eure Profession ist, so seid ihr trotzdem auch ein Mensch mit all seinen Schwächen. Ihr selbst seid es, die euch in einer Rolle einsperrt. Verletzlichkeit zu zeigen und Bedürfnisse zu kommunizieren wird euren Beraterstatus nicht mindern. Ganz im Gegenteil. Denn wer sich immer stark und unterstützend zeigt, übermittelt anderen Menschen, dass er weit über ihnen steht. Dieses Bild wiederum verhindert echte Nähe.

Kommentare
Kommentar von Astrid Steiner |
Was für schöne und wohltuende Worte - danke ♥️
Kommentar von Elsa |
Liebe Astrid
Du sprichst mir aus dem Herzen weil ich gerade an diesem Thema dran bin, meine Verletzlichkeit zu zeigen. Und ich erlebe dabei die Tiefe und Verbindung, welche dadurch entsteht in der Beziehung. Das erfüllt mich mit Freude und ist soooo Herzöffnend.
Herzgruess Elsa
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